Verkehrswertermittlung eines Autohauses mit Werkstatt

Norbert Weiß, Bonn 2009

Mit der Misere der Automobilwirtschaft treten strukturelle Überkapazitäten bei Autohäusern zu Tage, die der Sachverständige bei seiner Begutachtung zu berücksichtigen hat. Drittverwendungsfähigkeit und nachhaltige Mieten sind dabei Determinanten, denen besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist.

Das zu bewertende Autohaus befindet sich in einer Mittelstadt mit ca. 30.000 Einwohnern, dass langjährig als inhabergeführtes Haus im Jahr 2000 als Werksniederlassung eines Premiumherstellers vermietet wurde. Das Autohaus verfügt über eine Neuwagenausstellungshalle nebst Büro, eine Werkstatt mit sechs Hebebühnen (insgesamt 1.796 m² Mietfläche), diverse Nebengebäude sowie Außenflächen für den Gebrauchtwagenverkauf. Die ursprünglich 1978 errichteten und für die Nutzung zweckmäßigen Gebäude sind zwischen 1990 und 2000 erweitert und modernisiert worden. Das CI-Konzept des Herstellers ist vollständig umgesetzt; Instandhaltungsrückstände bestehen nicht.

Der Mieter kündigt den Mietvertrag ordnungsgemäß Ende 2008 zum 31.12.2009. Ziel der Bewertung (zum Stichtag 1.1.2009) ist die Verkehrwertermittlung der Immobilie als Grundlage für Vermarktungsverhandlungen.

Die Immobilie liegt zentrumsnah an einer stark befahrenen Landstraße, hat jedoch hier keine direkte An- oder Abfahrtsmöglichkeit. Dies erfolgt über eine Parallelstraße (reine Erschließungsstraße als Sackgasse). Im Umfeld des Bewertungsobjektes liegt die „Automeile“ der Stadt mit zahlreichen Anbietern im Automobilsektor.

Bodenwert

Das Grundstück weist eine Größe von 11.572 m² auf und besteht aus mehreren Flurstücken in unregelmäßiger geometrischer Form. Die Gesamtfläche ist für den Betrieb eines Autohauses selbst dieser Größe überdimensioniert, da erhebliche Teilflächen (nach Auswertung des Luftbildes ca. 3.600 m²) als Rasenflächen oder Unland nicht produktiv genutzt werden (können). Der Bodenwert laut Bodenrichtwertkarte beträgt 90 €/m² ebf (GE-Nutzung). Hierbei ist noch nicht berücksichtigt, dass ein Bebauungsplanverfahren kurz vor der Rechtskraft ist, dass neue Einzelhandelsnutzungen weitgehend (nach Sortimentsliste zum Schutz der Innenstadt) unterbindet und dass neue Werbeanlagen nur noch eingeschränkt zulässt.

Bodenwert A
Abzug von ca. 10 % wegen Baurechtsänderung
und Übergröße

80 €/m² bei 7.972 m²

637.760 €

Bodenwert B
Abzug von ca. 30 % wegen Baurechtsänderung,
Lagenachteilen und ungünstigem Zuschnitt

64 €/m² bei 3.600 m²

230.400 €

Bodenwert gesamt

 

868.160 €

Vom Gesamtbodenwert wird nur der Bodenwert A in die Berechnung des Ertragswertes eingeführt, da nur dieser den Erträgen zuzuordnen ist.

Rohertragsanalyse

Der Rohertrag (gezahlte Mieten, netto, kalt, jährlich) ergibt sich aus dem Mietvertrag wie folgt:

Festmiete seit Mietbeginn 1.1.2000

156.455,28 €

Indexanpassung ab 2006 um 9,77 %

15.285,68 €

Zusatzmiete für Investitionen des Eigentümers

14.761,44 €

Gesamtmiete p.a.

186.502,40 €

Im Mietvertrag ist keine Aufteilung der Miete nach den Nutzflächen erfolgt. Alle weiteren Mietvertragsbedingungen (Bewirtschaftungskosten, Instandhaltung etc.) können als branchen- und marktüblich gelten.

Um den Rohertrag zu plausibilisieren und nachhaltige Roherträge abzuleiten, sind die Ist-Mieten (netto/kalt) zunächst ins Verhältnis der Mietflächen (nach sachverständiger Schätzung der Gewichtung) und sodann ins Verhältnis der im Bewertungsobjekt getätigten Umsätze gesetzt und mit marktüblichen Ansätzen verglichen worden.

Verkaufsausstellung mit Büro, Sanitär,
neuem Eingang und Übergabe

889 m²

11,00 €/m²/mtl.

Werkstatt mit Büro, Sozialräumen,
Annahme und Waschhalle

707 m²

7,70 €/m²/mtl.

Teillager im ausgebauten Dachgeschoss

200 m²

1,60 €/m²/mtl.

Durchschnittsmiete über die Gesamtfläche

1.796 m²

8,65 €/m²/mtl.

Für die Außenflächen/Pkw-Stellplätze ist keine separate Miete anzusetzen, da es ähnlich wie im Einzelhandel üblich ist, diese in den Nutzflächen zu inkludieren.

Nach Erhebungen des Sachverständigen ergeben sich ortsübliche Mieten für Büros zwischen 6,50 €/m² und 10,00 €/m², für Handelsflächen in b-Lagen um 7,00 €/m² und für Lagerflächen zwischen 3,00 €/m² und 5,00 €/m² (mtl./netto/kalt). Ebenso sind die in der Region verfügbaren Daten über Angebotsmieten von Autohäusern und Autowerkstätten analysiert worden. Dabei ergaben sich Mietangebote zwischen 1,54 €/m² und 4,26 €/m².

Hinsichtlich des Jahresumsatzes im Mietobjekt konnte auf Daten der Eigentümer und örtliche Marktdaten der Branche zurückgegriffen werden, um den Umsatz p.a. im Mietobjekt mit hinlänglicher Genauigkeit erfassen zu können.

Neuwagenumsatz
165 Fahrzeuge zu durchschnittlich

42.000 €

6.930.000 €

Gebrauchtwagenumsatz
215 Fahrzeuge zu durchschnittlich

18.000 €

3.870.000 €

Werkstattumsatz

35 % des Handelsumsatzes von 10,8 Mio. €

3.780.000 €

Gesamtumsatz

 

14.580.000 €

Als marktübliche Mietaufwandsquote im Verhältnis zum Umsatz ist ein Durchschnittswert von 1,1% veröffentlicht worden (Quelle: Branchenbericht Kfz-Handel, Deutscher Sparkassen Verlag, Stuttgart, 2008), so dass sich hieraus eine Jahresdurchschnittsmiete von ca. 160.000 € ableiten lässt.

Als Zwischenfazit kann somit festgestellt werden, dass die Ist-Miete eindeutig über den Benchmarks der Branche und der ortsüblichen Miete liegt und insofern ein signifikanter Overrent besteht. Der bisherige Mietertrag kann demnach nicht als nachhaltig angenommen werden, da zu den Konditionen der bisherigen Ist-Miete keine Folgenutzung im Automobilsektor gefunden werden kann. Zur Fixierung einer nachhaltigen Miete ist die Immobilie daher auch hinsichtlich ihrer weiteren Verwendung nach Ablauf des Mietvertrages zu untersuchen.

Drittverwendungsfähigkeit - Branchensituation

Eine Drittverwendungsfähigkeit der Immobilie außerhalb des Automobilsektors ist aufgrund der speziellen Gebäudekonfiguration und der Gebäudeausstattung nicht gegeben, auch wenn die Grundstückslage eine andere Nutzung ermöglichen würde. Die starken Einschränkungen, die die Bebauungsplanänderung hinsichtlich des Einzelhandels auch für das Bewertungsgrundstück mitbringt, lassen kaum noch Nischen zu, die eine Verwertung der Flächen in dieser Größenordnung erlauben.

Eine Vermarktung von Teilflächen (z.B. getrennte Vermietung von Ausstellungs-halle und Werkstatt) erscheint zwar grundsätzlich möglich, löst aber Konflikte anderer Art sowie wirtschaftlich fragwürdige Investitionen aus. Hinsichtlich des näheren Umfeldes ist zu beobachten, dass weitere Immobilien bereits jetzt oder in absehbarer Zeit zur Entwicklung bzw. Vermietung/Verkauf anstehen und somit als potenzielle Mitbewerber bei der Suche von Folgenutzungen gelten.

Bei der Würdigung aller Aspekte wird die größte Wahrscheinlichkeit zur Folgenutzung unter Wahrung wirtschaftlicher Interessen der Eigentümer und der Maßgabe möglichst geringer Investitionsabsichten darin gesehen, wieder ein Autohaus für die Gesamtanmietung zu gewinnen. Da die bestehende Automarke als Vertriebsstützpunkt nicht fortgesetzt werden kann und weitere Premium-Marken in der Nähe oder im weiteren Umfeld bereits angesiedelt sind, bestehen nur geringe Aussichten die Immobilie wieder für den Verkauf von Oberklassenfahrzeugen zu nutzen. Angesichts der konjunkturellen Erwartung und der Aussicht auf langfristig steigende Kraftstoffpreise, werden eher Kleinfahrzeuge zukünftig Vertriebschancen haben.

Die Automobilbranche steht mitten in tief greifenden Veränderungen (Quelle: Branchenreport Kfz-Handel, Deutscher Sparkassen Verlag, Stuttgart, 2008). Nach Inkrafttreten der neuen GVO (Gruppenfreistellungsverordnung) müssen sich Unternehmen auf eine weitere Marktkonsolidierung einstellen; der Anpassungsdruck der Branche ist enorm. Es herrscht ein starker Wettbewerb bestimmter Marken um Standorte in Ballungsräumen (Quelle: Autohaus-online, Das Netz 08, August 2008). Nach Expertenerkenntnissen wird bis 2015 jedes vierte selbstständige Autohausunternehmen in Deutschland aus dem Markt ausscheiden, so dass von einer deutlichen Marktbereinigung ausgegangen werden muss.(Quelle u.a.: R. Rademacher in: Süd-West-Presse, 2.12.2008).

Die Finanzmarktkrise hat die Automobilbranche erfasst und strukturelle Defizite wie auch Überkapazitäten offengelegt. Nach vorherrschender Meinung wird ein mindestens mittelfristig anzusetzender Baisse-Trend mit erheblich rezessivem Wirtschaftsverlauf zu starken Umsatzeinbußen in der Automobilbranche führen. Die Sonderkonjunktur der Abwrackprämie in 2009 als nur temporär wirkende Maßnahme wird vermutlich zu einem deutlichen Umsatzrückgang in 2010 führen.

Ableitung nachhaltiger Mieten

Die Leistungsfähigkeit eines neuen Mieters wird als indikativ für die nachhaltige Miete angesehen, wobei die bisherigen Umsätze einer Premium-Pkw-Marke in positivem konjunkturellem Umfeld eindeutig nicht mehr erreicht werden können. Für die Ermittlung der nachhaltigen Miete wird angenommen, dass der Neumieter im Vertrieb ca. 10 % geringere Stückzahlen bei Neuwagen bei gleicher Anzahl an Gebrauchtwagen als der Vormieter erreichen wird. Dies jedoch auf deutlich niedrigerem Preisniveau und erst mit einem Vorlauf von mindestens zwei bis drei Jahren. Als Preisniveau werden die veröffentlichten Daten über Durchschnittspreise von Neu- und Gebrauchtfahrzeugen aller Pkw-Hersteller in den alten Bundesländern verwendet (Quelle: Branchenreport Kfz-Handel, Deutscher Sparkassen Verlag, Stuttgart, 2008). Es ergibt sich daraus folgende Mietprognose:

Neuwagenumsatz

150 Fahrzeuge zu durchschnittlich 26.540 €

3.981.000 €

Gebrauchtwagenumsatz

215 Fahrzeuge zu durchschnittlich 8.310 €

1.787.000 €

Werkstattumsatz

35 % des Handelsumsatzes von 5,8 Mio. €

2.030.000 €

Gesamtumsatz

 

7.798.000 €

Bei einem branchenüblichen Mietaufwand von 1,1% des Umsatzes ergibt sich hieraus eine Jahresmiete (netto/kalt) von 85.778 €, die als nachhaltiger Rohertrag betrachtet wird.

Da sich ein neuer Mieter erst am Markt positionieren muss, wird er die vorstehend genannten Umsatzzahlen keinesfalls im ersten Jahr erwirtschaften können. Es wird deshalb erforderlich sein, bei der Einstiegsmiete Nachlässe zu gewähren. Der Sachverständige geht davon aus, dass die Miete im ersten Jahr 50%, im zweiten Jahr 70% und im dritten Jahr 90% der Zielmiete beträgt, die Vermieterin dafür jedoch auch keine weiteren Investitionen in den Standort für eine Vermietung tätigen muss.

Wird die nachhaltige Jahresmiete von 85.778 € (zur Kontrolle) auf die verfügbaren Mietflächen in gleicher Gewichtung wir o.g. verteilt, ergeben sich korrespondierende Werte zu den marktüblichen Flächenmieten.

Verkehrswertermittlung

Jahresrohertrag (nachhaltig)

 

85.778 €

Verwaltungskosten

ca. 2% des Jahresrohertrages

1.716 €

Betriebskosten (nicht umlagefähig)

ca. 1,5% des Jahresrohertrages

1.287 €

Instandhaltungskosten

5 €/m² Mietfläche 1.796 m²

8.980 €

Mietausfallwagnis

ca. 5% des Jahresrohertrages

4.289 €

Summe Bewirtschaftungskosten

 

16.272 €

Reinertrag des Grundstücks

 

69.506 €

Liegenschaftszinssatz

 

8,0%

Bodenwertverzinsung

8% vom Bodenwert A (637.760 € )

51.021 €

Reinertrag der baulichen Anlage

 

18.485 €

Die wirtschaftliche Restnutzungsdauer wird unter Berücksichtigung der Gebäudeart, des Gebäudealters sowie des Erhaltungszustands eingeschätzt. Für Autohäuser kann infolge des hohen Veränderungsdrucks (Marketing-, Modell-, und CI-Veränderungen) lediglich eine Gesamtnutzungsdauer von ca. 40 Jahren angenommen werden (vergl. Frank Pfaff in: Spezialimmobilien von A-Z, Bundesanzeiger Verlag 2007). Bei Werkstätten liegt die Gesamtnutzungsdauer bei ca. 60 Jahren. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Gebäudealtersklassen sowie der durchgeführten Um- und Anbauten wird im vorliegenden Bewertungsfall von einer durchschnittlichen wirtschaftlichen Restnutzungsdauer von 25 Jahren ausgegangen.

Vervielfältiger

8% /25 Jahre RND

10,67

Ertragswert der baulichen Anlagen

10,67 x 18.485 €

197.234 €

Gesondert zu bewerten sind die Mietnachlässe, ohne die eine Folgenutzung kaum zu erreichen sein wird. Im ersten Jahr werden 50 % der nachhaltigen Miete (ca. 43.000 €), im zweiten Jahr 30 % (ca. 26.000 €) und im dritten Jahr 10% (ca. 8.000 €) zu veranschlagen sein. Unter Verzicht einer Diskontierung (wegen Geringfügigkeit) ergibt sich eine zu berücksichtigender Mindermiete von ca. 77.000 €.

Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass ein Overrent als Differenz zwischen der bis zum 31.12.2009 zu zahlenden Vertragsmiete und der hier als nachhaltig erachteten Miete entsteht. Dieser Mehrerlös beträgt 101.000 €.

Ein nach Ende des Mietvertrages entstehender Leerstand wird nicht angenommen, da für die Findung eines Nachfolgemieters ein Zeitraum von 15 Monaten besteht.

Als Ertragswert ergibt sich schließlich:

Bodenwert A

637.760 €

Bodenwert B

+ 230.400 €

Ertragswert der baulichen Anlage

+ 197.234 €

Mindermiete in der Folgevermietung

- 77.000 €

Overrent zur nachhaltigen Miete

+ 101.000 €

Verkehrswert

1.089.394 €

Verkehrswert gerundet

1,09 Mio. €

Fazit

Aufgrund der Marktkonsolidierung im Automobilsektor sind die derzeit noch gezahlten Mieten bei einer Verkehrswertermittlung unbedingt auf ihre Nachhaltigkeit zu prüfen. Hierzu bietet sich neben den ortsüblichen Mieten für Gewerbeflächen auch ein Vergleich mit den branchenüblichen Mietaufwandsquoten an. Da Autohäuser als Spezialimmobilien einzuordnen sind, werden auch Drittverwendungsmöglichkeiten zu eruieren sein. Diese erweisen sich infolge der zunehmenden Einschränkung bei der baurechtlichen Zulässigkeit von Handelsnutzungen in nicht integrierten Lagen als brisant. Bei großen Grundstücksflächen sowie schlechter Lage oder Bauqualität werden daher zunehmend Liquidationswerte in Reichweite kommen. Dass die im Sachwertverfahren ermittelten Substanzwerte höher ausfallen, wird die Marktteilnehmer nicht daran hindern, Immobilien dieser Art hinsichtlich ihrer Verwertung als problematisch einzustufen.

(veröffentlicht in „Autohaus“ und „Grundstücksmarkt und Grundstückswert“ 2009)

Norbert Weiß Dipl.-Ing. / Immobilienkaufmann BDGS
Ullrich & Weiß Sachverständigensozietät
Ippendorfer Allee 101, 53127 Bonn

norbertweiss@immobilienwert-bonn.de